Interesse

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Aufmerksamkeit nach außen, gut sichtbar am Gesichts­ausdruck des linken Mädchens, erzeugt Interesse

Unter Interesse (von lateinisch interesse „dazwischen sein“, „verschieden sein“, „dabei sein“, „Anteil nehmen“)[1] versteht man die Anteilnahme respektive die Aufmerksamkeit, die eine Person an einer Sache oder einer anderen Person nimmt. Je größer diese Anteilnahme ist, desto stärker ist das Interesse der Person für diese Sache. Etwas ist dann für eine Person interessant, wenn es ihr Interesse weckt, sie sich also dafür interessiert. Das Gegenteil dazu ist das Desinteresse oder, in stärkerer Ausprägung, die (manchmal krankhafte) Apathie.

Aus geistiger Sicht erzeugt der Mensch Interesse, wenn er längere Zeit seine Aufmerksamkeit auf ein Objekt richtet und sich dazu Gedanken bildet. Die eigene subjektive Hülle wird durchbrochen und der Mensch führt eine neue Wirklichkeitsform an sich heran. Die Folge ist ein sich öffnendes Interesse.

Psychologisch-pädagogische Sicht

In der Psychologie spricht man hinsichtlich Interesse von einem mehrdimensionalen Konstrukt.[2] Moderne Interessentheorien und Untersuchungsansätze basieren auf einer Personen-Gegenstands-Konzeption, welche die psychischen Phänomene des Lernens und der Entwicklung als permanente Austauschbeziehung zwischen einer Person und ihrer sozialen Umwelt interpretiert.[3] Der Gegenstand der Interessen definiert sich durch konkrete Objekte, thematische Wissensbereiche oder durch bestimmte Klassen von Tätigkeiten. Der Grad der Interessen wird definiert, wie hoch der Grad der subjektiven Wertschätzung des Interessengegenstandes ist und wie intensiv die positiv emotionalen Zustände während der Interessenhandlungen sind. In der pädagogischen Psychologie wird Interesse primär unter dem Gesichtspunkt der emotionalen, motivationalen und kognitiven Beziehung einer Person zu Gegenständen analysiert.

Bei der psychologischen Untersuchung von Interesse gibt es zwei Perspektiven:

  1. Aus der prozessorientierten Perspektive werden aktuelle Zustände einer Person untersucht. Die zentrale Frage ist, wie Interesse geweckt wird und welche Auswirkungen gewecktes Interesse auf die Person hat. Hier unterscheidet man situationales Interesse (Entstehung von Interesse nach Reizaufnahme) und aktualisiertes Interesse (Wecken eines bestehenden individuellen Interesses durch Reiz).
  2. Aus der strukturorientierten Perspektive werden hingegen dauerhafte Zustände und über längere Zeit konstante individuelle Interessen bei Personen untersucht.

Im Rahmen der strukturorientierten Perspektive gibt es verschiedene Interessenmodelle, die sich entweder auf Berufsinteressen oder auf Freizeitinteressen beziehen können. Ein bekanntes Modell, dessen Gültigkeit für beide Bereiche in einer großen Zahl empirischer Studien nachgewiesen wurde, ist das RIASEC-Modell von John L. Holland. Ein wichtiger, darauf aufbauender Berufsinteressentest ist der „Allgemeine Interessen-Strukturtest“ (AIST) von Christian Bergmann und Ferdinand Eder. Ein entsprechender Test für die Freizeitinteressen ist der „Freizeit-Interessentest“ (FIT) von Werner Stangl.

Philosophische Aussagen (Weblinks)

„Interesse“ in: textlog.de (= Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Verlag Mittler und Sohn, 1904.)
Viele Philosophen sind kurz mit Quellenangabe zitiert. In der Einleitung steht:

„Interesse ist das Ergebnis der Aufmerksamkeit; wo diese fehlt, kann sich kein Interesse herausbilden, und andrerseits weckt das Interesse immer von neuem die Aufmerksamkeit.“

„Interesse“ in: zeno.org (= Friedrich Kirchner, Carl Michaëlis: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907.)
Im Vergleich zum vorhergehenden Wörterbuch finden sich hier andere Philosophen mit weiteren Aussagen zum Thema. Eingeleitet wird mit dem Satz, Interesse sei die „Teilnahme der Seele, des Ich, an etwas, willige Hingabe der Aufmerksamkeit an die Betrachtung eines Etwas, an die Beschäftigung damit.“

Zitate (Auswahl)

Johann Gottlieb Fichte

„Interesse wird das Wohlgefallen genannt, was wir mit der Vorstellung der Existenz eines Gegenstandes verbinden. Ein solches hat daher immer zugleich Beziehung auf das Begehrungsvermögen, entweder als Bestimmungsgrund desselben, oder doch als mit dem Bestimmungsgrunde desselben notwendig zusammenhängend.“

Immanuel Kant (1724–1804)[4]

„Gehe von niemand und laß niemand von Dir, ohne ihm etwas Lehrreiches oder etwas Verbindliches gesagt und mit auf den Weg gegeben zu haben; aber beides auf eine Art, die ihm wohltue, seine Bescheidenheit nicht empöre und nicht studiert scheine, daß er die Stunde nicht verloren zu haben glaube, die er bei Dir zugebracht hat, und daß er fühle, Du nehmest Interesse an seiner Person, es gehe Dir von Herzen, Du verkauftest nicht bloß Deine Höflichkeitsware ohne Unterschied jedem Vorübergehenden!“

„Interesse ist die Richtung des schon bewußten Willens […] auf irgend einen Vorstellungsinhalt.“

Johann Gottlieb Fichte (1762–1814)[6]

„Alles, was den einen Menschen interessiert, wird auch in dem andern einen Anklang finden.“

Sicht aus geistiger Forschung

Der Mensch muss über sich hinauskommen

Rudolf Steiner sagt, dass der Mensch mit seinem Interesse über sich hinauskommen muss, damit er von außen inspiriert werden kann:

„Wer nicht wenigstens für einen kurzen Zeitraum loskommen kann von dem, was ihn allein angeht, der kann selbstverständlich zu keiner Inspiration kommen. Er braucht es ja nicht immer; im Gegenteil, er wird gut tun, seine eigenen Interessen scharf abzugrenzen von demjenigen, was Gegenstand seiner Inspiration sein soll. Wenn aber der Mensch sein Interesse über die Objektivität hinaus also ausdehnt, wenn er versucht, das Leben der Pflanze in ihrem Werden so zu empfinden, wie er dasjenige, was in seinem Leben vorgeht, empfindet, wenn ihm das, was da draußen wächst und keimt und wird und vergeht, so intim vertraut ist wie das Leben im eigenen Wesen, dann ist er mit Bezug auf alles das, was so an ihn herantritt, inspiriert.“[8]

Auf diese Weise dringt der Mensch in das Wesen einer Sache oder eines Menschen tief ein und lernt darin zu leben. In Bezug auf die Sicht zu einem anderen Menschen bedeutet dies praktisch, dass man unterscheiden oder gliedern kann zwischen der Tat und der menschlichen Individualität. Das Urteil über eine Tat steht auf einem anderen Blatt als der Wert oder Unwert einer menschlichen Persönlichkeit:

„Aber dann ist diese Art, Interesse zu haben, notwendigerweise verknüpft mit einem allmählichen Aufsteigen zu einer solchen Menschenbeurteilung, wie die von uns angedeutete Goethesche Menschenbeurteilung allmählich eine wurde. Goethe lernte durch sein Bemühen [um lebendige Gedanken] des Menschen Verrichtungen von der menschlichen Wesenheit zu unterscheiden. Und dies ist etwas außer-, außerordentlich Wichtiges! Was wir tun oder getan haben, gehört der objektiven Welt an, ist ins Werk gesetztes Karma; was wir als Persönlichkeit sind, ist in fortwährendem Werden. Und das Urteil, das wir fällen über irgend etwas, was ein Mensch getan hat, muß im Grunde genommen auf einem ganz anderen Blatt stehen, als das Urteil, das wir fällen über den Wert oder Unwert einer menschlichen Persönlichkeit. Wir müssen, wenn wir uns den höheren Welten nähern wollen, lernen, der menschlichen Persönlichkeit so objektiv gegenüberstehen zu können, wie wir einer Pflanze oder einem Stein objektiv gegenüberstehen. Wir müssen lernen, Anteil haben zu können auch an der Persönlichkeit derjenigen Menschen, die Taten verrichtet haben, die wir vielleicht im eminentesten Sinne verurteilen müssen. Gerade diese Trennung des Menschen von seinen Taten, die Trennung des Menschen auch von seinem Karma, die muß man vollziehen können, wenn man imstande sein will, ein richtiges Verhältnis zu den höheren Welten zu gewinnen.“[8]

Ausgehend von einer Skizze verdeutlichte Rudolf Steiner im Jahr 1908 den Zusammenhang, dass der Mensch lernen müsse, durch das Physische hindurch das Geistige zu erkennen; „dann verliert er das Interesse für das Physische“.

Die «Aestimatio» sei die Stufe, welche der Mensch als den tiefsten Punkt der Entwicklung anzusehen habe. Er müsse wieder darüber hinauswachsen in die «Imaginatio» hinein, die er früher hatte. „Wenn er sich aber durch das Interesse mit der physischen Welt verknüpft, so geht er unter die tiefste Stufe hinunter und verliert die Möglichkeit zum Aufstieg.“ Die folgende Skizze verdeutlicht diesen Gedanken:

Von daher sei es wichtig für den Menschen, dass er lerne, sich mit Dingen zu beschäftigen, die jenseits des Physischen liegen würden, „mit Vorstellungen und Begriffen, die übersinnlich sind“.[9]

Interesse ist ein Phänomen des Weltenkosmos

Heinz Grill verdeutlicht, dass das Interesse ein Phänomen des Weltenkosmos ist, das an den Menschen herankommen und ihn entzünden kann, wenn er über längere Zeit seine Aufmerksamkeit und Gedankenbildung einem Objekt widmet:

„Es ist das Interesse eine Ausatmung von feinsten Kräften in der Weltenschöpfung.“[10]
Foto: Waltraud Grubitzsch
„Das Interesse, ein Phänomen des Weltenkosmos, kann dem einzelnen Menschen weder eingeredet noch auferlegt werden. Es ist in seiner offenbarenden Erscheinung wie eine lichte Flamme, wie ein sich entzündender Phosphor, quasi wie aus sich selbst entspringend, jegliche Depression zerstäubend, freudig, beziehungsvoll und verbindend, sowohl auf die Sinne als auch auf das menschliche Gemüt. […]
Je länger die Aufmerksamkeit an einem Objekt, das außerhalb des Problemkreises liegt, geübt wird, die Sinne wie des Weiteren die Gedankenbildung zu dem Objekt geschult werden, desto mehr durchbricht der Einzelne die subjektive astrale Hülle und führt eine neue Erlebens- und Wirklichkeitsform an sich heran. Die Folge ist das sich öffnende Interesse. Der Weltenkosmos mit seinen lichteren und bewegten Kräften tritt an den Menschen und seine Aura heran. […]
Dieser Lichtäther ist in sich selbst tragend, frei, er führt unmittelbar das Interesse an die Seele des Menschen heran. Aus dem Kosmos entsteht deshalb das Interesse. Der Mensch benötigt aber eine geordnete, konzentrierte, objektive Beziehungsaufnahme zu den verschiedensten Phänomenen der Welt oder des menschlichen Daseins. Objektiv und konzentriert, mit einer etwas länger anhaltenden und sorgfältig erwogenen Außenwahrnehmung sollten die Übungen gestaltet werden. Indem mit Sinnen und Gedanken der Einzelne im Außen verweilt, fließt ihm bald der Äther, der das Interesse in der Seele zum Erleuchten bringt, entgegen. Je nachdem, wie jemand Empfindungen, Gedanken und Vorstellungen entwickelt, entsteht die ätherisch freie, kosmische Kraft, die das Interesse an den Menschen heranbringt.“[11]

Literatur

  • Andreas Krapp: Interesse. In: D. Rost (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 2. Auflage. PVU, Weinheim 2009, S. 286–294.
  • Andreas Krapp: Konzepte und Forschungsansätze zur Analyse des Zusammenhangs von Interesse, Lernen und Leistung. In: Andreas Krapp, Manfred Prenzel (Hrsg.): Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze einer pädagogisch-psychologischen Interessenforschung. Aschendorff, Münster 1992, S. 9–52.
  • Ulrich Schiefele: Motivation und Lernen mit Texten. Hogrefe, Göttingen 1996, insbesondere Kapitel 4.4 und 7.
  • Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10. 24. Auflage. Dornach 1993, ISBN 3-7274-0100-1, S. 38 ff. (Online)
  • Heinz Grill: Übungen für die Seele. 3., erweiterte Auflage. Synergia Verlag, 2022, ISBN 978-3-906873-33-6.

Einzelnachweise

  1. Suchergebnis für „interesse“. In: Navigium, Latein-Wörterbuch. Abgerufen am 9. Juni 2025.
  2. Eberhard Todt: Entwicklung des Interesses. In: H. Hetzer: Angewandte Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Quelle & Meyer, Heidelberg 1990.
  3. Kurt Lewin, Dorwin Cartwright u. a.: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften: ausgewählte theoretische Schriften. Verlag Hans Huber, 1963.
  4. Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft § 2. 2., vermehrte und verbesserte Auflage. Gutenberg Edition. (Online)
  5. Adolph Freiherr von Knigge: Über den Umgang mit Menschen. 1. Kapitel, Abschnitt 16. Frankfurt am Main 1977, S. 37–82. (Online in zeno.org.)
  6. Interesse. In: Rudolf Eisler – Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Abgerufen am 9. Juni 2025.
  7. Johann Wolfgang von Goethe: Wilhelm Meisters Wanderjahre. 1. Buch, 10. Kapitel. 2., vermehrte und verbesserte Auflage. Gutenberg Edition. (Online)
  8. 8,0 8,1 Rudolf Steiner: Der Wert des Denkens für eine den Menschen befriedigende Erkenntnis. Das Verhältnis der Geisteswissenschaft zur Naturwissenschaft. GA 164. 1. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1984, ISBN 3-7274-1640-8, S. 72–73. (Online)
  9. Rudolf Steiner: Aus den Inhalten der esoterischen Stunden. GA 266a. 1. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7274-2661-6 S. 373–375. (Online)
  10. Heinz Grill: Die Signaturen der Planeten und die seelisch-geistige Entwicklung in der Pädagogik. 1. Auflage. Lammers-Koll-Verlag, 2012, ISBN 978-3-935925-38-9, S. 69–70.
  11. Heinz Grill: Das Wesensgeheimnis der Seele. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stephan Wunderlich Verlag, 2014, ISBN 978-3-9815855-5-1, S. 280–281.
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