Weißbeerige Mistel

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Weißbeerige Mistel an einer Silber-Pappel

Die Weißbeerige Mistel (Viscum album L.), meist Mistel genannt, mit ihren drei Unterarten, nämlich der Laubholz-, Tannen- und Föhren-Mistel (ssp. album, abietis etc.) ist eine Pflanzenart in der Familie der Sandelholzgewächse (Santalaceae). Oft wird sie zusammen mit einigen anderen Gattungen wie den auf Nadelbäumen wachsenden Arceuthobium-Arten und den auf Amerika beschränkten zahlreichen Arten der Gattung Phoradendron in eine eigene Familie Viscaceae gestellt, die dann ungefähr 400 Arten umfasst.[1] Sie ist eine der wenigen parasitisch lebenden Gefäßpflanzenarten Europas, die direkt an Sprossachsen der Wirtspflanzen zu finden sind.

Beschreibung

Illustration

Erscheinungsbild und Blatt

Die Weißbeerige Mistel wächst als sattgrüner – im Falle der selteneren männlichen Exemplare: gelblich-grüner – immergrüner Halbstrauch parasitierend auf anderen Gehölzen. Dieser Halbschmarotzer sitzt auf den Ästen von Bäumen und entzieht Wasser und darin gelöste Mineralsalze aus deren Holzteil. Im Laufe der Jahre wachsen Misteln häufig zu kugeligen Büschen heran, die bis zu 1 Meter Durchmesser erreichen können.

Die oft gleichmäßig gabelig verzweigten Sprossachsen der Mistel sind an den Knoten (Nodi) durch Furchen gegliedert und brechen dort leicht ab. Es sind drei bis fünf undeutliche Blattadern vorhanden. Diese verlaufen parallel und sind nicht vernetzt.[2]

An den Enden der Sprossachsen sitzen gegenständig die ungestielten Laubblätter, die mehrjährig sein können. Die etwas dickliche, fast lederige, einfache Blattspreite ist bei einer Länge von 2,5 bis 7 Zentimeter und einer Breite von 0,5 bis 3,5 Zentimeter elliptisch bis verkehrt-lanzettlich oder verkehrt-eiförmig mit stumpfem oberem Ende. Beim Parasitieren auf Robinien können die Blätter bis zu 15 Zentimeter lang und 1,3 mm dick werden.

Beide Blattseiten erscheinen gleichartig ausgebildet (äquifazial) und haben deutlich eingesenkte Spaltöffnungen.[2] Wegen ihrer „immergrünen“, jedenfalls wintergrünen Blätter bilden Weißbeerige Misteln im Laufe der Jahre ein Holz, in dem – ähnlich wie bei Buchsbaum, Stechpalme und Efeu – Jahresringe nur undeutlich erkennbar sind. Anders als bei den drei genannten immergrünen Gehölzen bleiben die Blätter der Weißbeerigen Misteln nicht länger als zwei Jahre und deshalb nur in der Außenzone an der Pflanze.

Blüte

Blätter, Blüten und Beere der Tannen-Mistel

Die Blütezeit der Weißbeerigen Mistel reicht bei günstiger Witterung in Mitteleuropa von Mitte Januar bis Anfang April. Die Weißbeerige Mistel ist zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch), manchmal mit Vorherrschen der weiblichen Exemplare.[3] Drei bis fünf Blüten stehen in den obersten Blattachseln knäuelig beisammen. Die zwei Tragblätter sind etwa 2 Millimeter lang, konkav und bewimpert mit stumpfem oberem Ende.

Die unscheinbaren, eingeschlechtigen Blüten sind sitzend. Die drei oder vier freien, dicken Blütenhüllblätter sind bei einer Länge von etwa 1 Millimeter bei den weiblichen Blüten dreieckig und hinfällig.

Die vier Staubblätter in den Blüten der (deutlich selteneren) männlichen (staminaten) Pflanzen besitzen keine Staubfäden. Die rückseitig mit den hier etwa doppelt so langen Blütenhüllblättern verwachsenen Staubbeutel öffnen sich mit vielen Poren; sie weisen einen deutlichen, fruchtigen Duft auf. Der unterständige Fruchtknoten ist bei einer Länge von etwa 2 Millimetern verkehrt-eiförmig. Die sitzende Narbe ist bei einer Länge von etwa 1 Millimeter konisch.

Frucht und Samen

Von der Blüte im Februar bis zur Reife der Beeren in der Adventszeit vergehen circa neun Monate.[2] Die weißlichen, etwas durchscheinenden, einsamigen Beeren sind bei einem Durchmesser von etwa 1 Zentimeter kugelig. Die 5 bis 6 Millimeter langen Samenkerne sind von einem weißen, zähen, durch Viszin schleimig klebrigen Fruchtfleisch (Pulpa) umgeben. Typisch für die Beeren der Laubholz-Mistel sind zwei sehr lang ausziehbare Fäden zwischen dem Samenkern und der Beerenhaut. Diese Strukturen sind in den Früchten der Nadelholz-Misteln nicht ausgebildet.[4] Schon im einzelnen Samen bilden sich bei der Laubholz- und der südwesteuropäischen Rotbeerigen Mistel bis zu drei oder sehr selten vier grüne Embryonen aus.

Ökologie

Aufsatz der Mistel am Ast einer Kiefer
Schnitt durch einen Mistelbefall an einer Kiefer; deutlich zu erkennen sind die Abwehrbemühungen des Baumes durch Wucherung und Harzbildung

Ihre für Blütenpflanzen ungewöhnliche Lebensweise als Parasiten macht Misteln für Naturforscher interessant. Ein Mistelforscher schrieb deshalb vor rund 100 Jahren in seinem grundlegenden Werk: „Wenige ahnen, daß die Mistel eine der allerinteressantesten Pflanzen ist, mit der sich die Wissenschaft schon im Altertum beschäftigte und seitdem sich mit ihr unablässig abgegeben hat.“[5]

Die Weißbeerige Mistel ist ein strauchartiger Halbschmarotzer auf den Ästen und gelegentlich Stämmen verschiedener Gehölze. Aus deren Holzteil, dem sogenannten Xylem, entzieht sie Wasser und darin gelöste Nährsalze. Wegen der dazu erforderlichen starken Transpiration fühlen sich die Blätter der Mistel kühl an, was als Verdunstungskälte gedeutet wird. Die Pflanzen können zu kugeligen Büschen von maximal 1 Meter Durchmesser heranwachsen und bis etwa 70 Jahre alt werden. Das Wachstum ist sehr langsam; der Zuwachs beträgt ein Sprossglied pro Jahr. So sollen Zweige von 50 Zentimetern Länge etwa 30 Jahre alt sein. Bei ihrer ersten Blüte sind Misteln sechs bis sieben Jahre alt.[6] Die Rinde der Sprosse bildet keine Korkschicht aus, bleibt also grün und kann deshalb jahrelang Photosynthese betreiben.

Die Pollenkörner sind untereinander durch zarte, elastisch-klebrige Viszinfäden verbunden, können also nicht vom Wind verfrachtet werden. Die Pollenübertragung (Bestäubung) erfolgt nicht etwa, wie oft vermutet und behauptet wird, „durch den Wind“ oder durch Bienen, sondern im Wesentlichen durch Fliegen, wie bereits Joseph Gottlieb Kölreuter ermittelt hatte, dem allerdings lange Zeit nicht geglaubt wurde.

Ausgeschiedene Samen der Weißbeerigen Mistel mit klebriger Pulpa

Die klebrige Pulpa, die die Samen umgibt, ermöglicht die Ausbreitung durch Vögel. Die Samen der meisten Mistelarten werden nämlich durch Vögel ausgebreitet (Verdauungsverbreitung, Endozoochorie). Für die Weißbeerige Mistel sind die üblichen Verbreitervögel die Misteldrossel, die Mönchsgrasmücke und der gelegentliche Wintergast Seidenschwanz. Nur sie fressen die klebschleimreichen Früchte der Misteln. Sie können den zähschleimumhüllten Innenteil mit den Samen jedoch nicht verdauen. Deshalb werden die Samen mit ihrer Klebschleimhülle von Misteldrosseln und Seidenschwänzen nach recht kurzer Darmpassage wieder ausgeschieden. Verfangen sich die Ausscheidungen dieser Vögel – ob sitzend oder darüber hinwegfliegend – auf den Ästen nicht „mistelfester“ Bäume, dann haben die grünen Embryonen in den Samenkernen die Chance, dort erfolgreich zu keimen und sich zu etablieren. Mönchsgrasmücken heften die Samenkerne mit ihrer Innenschleimhülle, bevor sie den Außenteil der Beere verschlucken, direkt mit dem Schnabel auf einen nächstliegenden Ast. Dies kann auch ein Spross der Mistel selbst sein. Auch dort können sie erfolgreich keimen, denn auch die Mistel selbst ist keineswegs mistelfest. So ist in beiden Fällen die Keimung stets besonders erfolgreich, sobald Regen und Sonne für günstige Bedingungen sorgen. Ob auch die Wacholderdrossel zu den Mistelverbreitervögeln gehört, wie teilweise behauptet wurde, muss noch endgültig geklärt werden. Amseln („Schwarzdrosseln“) gehören jedenfalls nicht zu den Mistelausbreitervögeln. Im Gegenteil: Eine Amsel in Gefangenschaft würde „lieber verhungern als die Beeren zu fressen“.[7]

Bei der Keimung streckt sich zunächst das Hypokotyl. Es krümmt sich dabei vom Licht weg abwärts (negative Phototaxis). Sobald dann seine Spitze die Unterlage (möglichst Rinde des Wirtes) erreicht, bildet sie dort eine Haftscheibe aus. Aus deren Zentrum treibt der Keimling zunächst einen Penetrationskeil, danach einen Saugfortsatz (Haustorium) durch die Rinde des Wirtsastes hindurch. In den Saftbahnen der lebenden Rinde breitet sich die junge Mistel dann langsam in Form grüner Rindensaugstränge aus. Das zentrale Haustorium entwickelt sich im Laufe der Zeit zu einer Primärwurzel, die mit dem Dickenwachstum des Tragastes immer weiter in das Wirtsgewebe einwächst. Aus der Primärwurzel wachsen im folgenden Jahr sogenannte Senkerwurzeln, die bis in das Leitungsgewebe des Wirtes vordringen und selber auch wieder in der Lage sind, neue Senker sowie Wurzelsprosse auszubilden. Erst nachdem die Senkerwurzeln die Leitungsbahnen des Wirtes erreicht haben, entwickelt sich die Mistel weiter. Nach vielen Jahren ist die Mistel dann so reich verzweigt, dass sie kugelige Büsche von bis zu einem Meter Durchmesser oder auch schlaff herabhängende Formen bilden kann. Der Parasitismus der Mistel kann für die Wirtspflanze bedeuten, dass der Ast, auf dem die Mistel lebt, oder auch der ganze Baum abstirbt. Auf Obstplantagen kommt es häufig zu Ernteverlusten, wenn die Wirtspflanze nicht mehr ausreichend Wasser und Nährstoffe zur Verfügung hat, um genügend Früchte auszubilden.[8] In der Schweiz ist es deshalb bei Strafe verboten, in Apfel-Kulturen Misteln zu dulden.

Die grünen Embryonen sind bereits in den durchscheinenden Beeren photosynthetisch aktiv. Nach Einnistung in lebender Rinde kann daher ein frühes Entwicklungsstadium auch einige Jahre kaum sichtbar überdauern, solange die Haustorien-Zellen die Leitungsbahnen der Wirtspflanze nicht erreichen können. Die Ursache, warum die junge Mistel manchmal in diesem kryptischen Zustand verbleibt, ist bis heute nicht erforscht.

Eine weitere Besonderheit der Mistel ist, dass sie als photosynthetisch aktiver Halbschmarotzer ihrem Wirt eigentlich nur Wasser und Mineralsalze entziehen müsste, deshalb erstaunt es auch heute noch viele Forscher, dass sie dennoch die Leitungsbahnen für die organischen Substanzen (das Phloem) des Wirtes anzapft. Ob sie dabei dem Wirt auch Nährstoffe entzieht, wird im Moment noch kritisch diskutiert.[8]

Es gibt nur relativ wenige Insekten, die auf die Mistel spezialisiert sind, so der Spitzmausrüsselkäfer, der unter den Borkenschuppen des Wirtsbaumes überwintert, der Borkenkäfer, die Blattflohart und die Schildlaus.[9] Unter den Schmetterlingen haben sich die Raupen des Mistel-Wicklers und des Mistel-Glasflüglers auf die Mistel spezialisiert.[9] Auch die Raupen des Blausiebs findet man in den Zweigen der Mistel.[10]

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Weißbeerigen Mistel sind die wintermilden Regionen Südskandinaviens sowie Mittel- und Südeuropas. Dort gedeiht sie zerstreut bis gebietsweise sehr häufig (dann als Plage empfunden) auf Laubbäumen wie zum Beispiel Apfelbäumen, Linden, Ahornen, Birken, Pappeln und Weiden, Hainbuchen, Rosskastanien, Weißdorn und besonders üppig und breitblättrig auf Robinien; auf Birnbäumen nur äußerst selten. Rot-Buchen und z. B. die Platanen sind dagegen „mistelfest“. Um 1900 wurde die Mistel in den Vereinigten Staaten als Neophyt eingeschleppt oder vom Gärtner Luther Burbank bewusst eingebürgert und hat sich nördlich von San Francisco auf über hundert verschiedenen Gehölzarten verbreitet.[8]

Neben Viscum album kommt in Mitteleuropa noch die zu einer anderen Gattung und Familie gehörige Eichenmistel vor. Diese ist im Unterschied zur Weißbeerigen Mistel nur sommergrün und weist Äste auf, die ab dem zweiten Jahr braun bis schwarzgrau sind. Die Eichenmistel, auch Riemenblume genannt, bildet gelbe Beeren.[11]

Systematik

Der wissenschaftliche Name der Weißbeerigen Mistel, Viscum album L., wurde 1753 von Carl von Linné in seinem Werk Species Plantarum erstveröffentlicht.[12]

Es werden innerhalb der Art Viscum album mehrere Unterarten unterschieden, die eine Bindung an unterschiedliche Wirtsbaumarten besitzen:

  • Laubholz-Mistel (Viscum album L. subsp. album) – auf Pappeln und Weiden, an Kernobstgewächsen auf Apfelbäumen, Ebereschen, Weißdorn und der großstrauchigen kanadischen Kupfer-Felsenbirne, an Steinobstgewächsen wie auf Steinweichsel, Schlehe, Gewöhnliche Traubenkirsche und Spätblühende Traubenkirsche, auf Birken, Robinien und Goldregen, Linden, Ahornbäumen, Hasel, Flieder und Liguster, Taschentuchbaum, amerikanischer Rot- und Sumpf-Eiche, Balkan- und Appalachen- (= Gelbe) Rosskastanien, Schwarznuss; auf Birnbaum nur äußerst selten. Praktisch nicht vorkommend dagegen auf den europäischen Arten von Eschen, Erlen, verschiedenen Ulmen wie Feldulme und Bergulme; und gar nicht zum Beispiel auf Rot-Buche, Walnussbaum, Platanen, Paulownien, Götterbäumen oder Magnolien, die deshalb als mistelfest bezeichnet werden.[13]
  • Tannen-Mistel (Viscum album subsp. abietis (Wiesb.) Janchen, Synonym: Viscum abietis (Wiesb.) Fritsch) – auf einzelnen Tannenarten, zumindest Weiß- und Griechischer Tanne (Abies cephalonica),[13] sowie äußerst selten einmal auf einer Fichte sowie auf einer Laubbaumart. Im Schwarzwald und in den Allgäuer Alpen übersteigt sie die Höhenlage von 1000 Metern kaum.[14][15] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind in der Schweiz für Viscum album subsp. abietis: Lichtzahl L = 4 (hell), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Kontinentalitätszahl K = 2 (subozeanisch).[16]
  • Kiefern-Mistel, Föhren-Mistel (Viscum album subsp. austriacum (Wiesb.) Vollm., Syn.: Viscum laxum Boiss. & Reut.) – auf Kiefern, sehr selten auf Fichten und Lärchen. Vorkommen in Süd- und Ostdeutschland: von Iffezheim beiderseits des Rheins nordwärts, im und um den Nürnberger Reichswald, Brandenburg; Österreich (häufig bis zerstreut in der collinen bis montanen Höhenstufe der Bundesländer Wien, Burgenland, Kärnten (unsicher), Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Vorarlberg), Südtirol und Japan.[8] Sie kommt vor in Gesellschaften des Verbands Erico-Pinion.[17] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind für Viscum album subsp. austriacum in der Schweiz: Lichtzahl L = 4 (hell), Temperaturzahl T = 4+ (warm-kollin), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[16]
  • Kretische Mistel (Viscum album subsp. creticum N.Böhling, Greuter, Raus, B.Snogerup, Snogerup & Zuber), eine weitere 2002 beschriebene Unterart, die als Endemit nur auf Kreta vorkommt und dort auf der Kalabrischen Kiefer schmarotzt.[18]

Die früher gelegentlich als Unterart (Viscum album subsp. coloratum) geführte Koreanische oder Japanische Mistel wird dagegen heute als eigene Art (Viscum coloratum) angesehen.[19] Bei manchen Autoren gibt es die asiatische Unterart Viscum album subsp. meridianum (Danser) D.G.Long.[19]

Giftigkeit

Nach Einschätzung der Giftzentrale am Klinikum der Universität Bonn sind Misteln gering giftig, und zwar in allen Pflanzenteilen bis auf die Beeren.[20]

Nach Stürmen heruntergebrochene Büsche der Nadelholz-Misteln und männliche Exemplare der Laubholz-Mistel können verfüttert werden und sind im Winter bei Vieh und Wild willkommenes Grünfutter. Die weiblichen Büsche der Laubholz-Rasse sollten allerdings wegen ihrer innen ganz ungewöhnlich klebrigen Beeren als Futter gemieden werden, da die zerkauten Beeren äußerst unangenehm auf der Zunge und im Rachen hängenbleiben können. Kinder sind dringend vor diesen Beeren zu warnen.

Verwendung

Allgemeine Verwendung

Eichen- oder Riemenmistel

Die Früchte vor allem der Eichenmistel (die allerdings zu einer anderen Familie gehört), genannt auch Leimmistel, wurden früher wegen des klebrigen Mesokarps zur Herstellung von Vogelleim verwendet. In einigen europäischen Ländern ist diese aus tierschutzrechtlichen Gründen EU-weit verbotene Art des Vogelfangs weiterhin verbreitet.

Misteln eignen sich sehr gut für Wildgärten, da sie einfach anzupflanzen sind, denn es reicht aus, die frischen noch klebrigen Samen an eine junge Borke eines geeigneten, nicht mistelfesten Wirtsbaumes anzuheften.

Verwendung als Heilpflanze

Mistelzubereitungen wurden mutmaßlich in verschiedenen Behandlungssituationen seit vielen Jahrhunderten eingesetzt.[21] So hat der griechische Arzt Hippokrates von Kos die Mistel als Heilpflanze genutzt, er empfahl sie gegen die „Milzsucht“.[22] Tabernaemontanus empfahl sie gegen Epilepsie, Würmer, Aussatz, Gicht, Lungenleiden, Ohrenschmerzen, Gelbsucht und Blutfluss.[23]

Als Heildroge dienten früher die getrockneten jungen Zweige mit Blättern, Blüten und Früchten. Zur Anwendung wurden traditionell Misteltee oder auch entsprechende Fertigpräparate mit Mistelextrakten zur Unterstützung des Kreislaufs bei Neigung zu Hypertonie verordnet.[24]

Misteltherapie

Die Misteltherapie wurde vom Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, und der Ärztin Ita Wegman initiiert. Sie findet heute Anwendung in der komplementären Krebsbehandlung und im Rahmen der Palliativmedizin zur Verbesserung der Lebensqualität. Innerhalb der anthroposophisch erweiterten Medizin wird sie zur Krebsbehandlung eingesetzt. Trotz langjähriger Anwendung und Forschung ist durch methodisch einwandfreie Studien nicht eindeutig belegt, dass Mistelpräparate das Tumorwachstum hemmen oder Krebspatienten heilen können.[25] Eine Misteltherapie wird in Deutschland von vielen und in Österreich von den meisten Krankenkassen erstattet.

Siehe auch den Artikel Misteltherapie in AnthroWiki.

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Mythologie

Die Mistel war schon in der Mythologie des Altertums bekannt und wurde von den gallischen Priestern, den Druiden, als Heilmittel und zu kultischen Handlungen benutzt. Keltischen Priestern galten besonders die seltenen Exemplare, die auf Eichen wuchsen, als heilig.[26] Sie galt nicht nur als Wunderpflanze gegen Krankheiten, sondern wurde auch als Heiligtum verehrt, als Zeichen des immerwährenden Lebens[8] und war für Kelten und Germanen ein Fruchtbarkeitssymbol. Die Germanen glaubten, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten, sie also ein Geschenk des Himmels seien.

Auch heute noch werden einige alte Bräuche gepflegt. So ist die Mistel in einigen Ländern, wie beispielsweise der Schweiz, ein Fruchtbarkeitssymbol. In England gibt es ein Ritual, dass ein Mistelzweig in der Weihnachtszeit über die Tür gehängt wird und die junge Dame, die sich unter diesem Mistelzweig befindet, auf der Stelle geküsst werden darf. In Frankreich wird ein Mistelzweig am Neujahr auch über die Tür gehängt und jedermann küsst die Verwandten und die Freunde darunter. Ein Spruch wird auch gesagt: Au gui, l’an neuf, das heißt „Mit der Mistel kommt das Neujahr“.

In der germanischen Mythologie wurde der Asengott Balder mit einem Mistelzweig getötet.

Signatur oder geistiges Bild

Die Beschreibung der Mistel aus geistiger Sicht durch Heinz Grill verdeutlicht die Verwandtschaft des Wesens dieser Pflanze mit der Krebskrankheit:

„Die Mistel hat sich aus dem Zusammenspiel von Geist und Materie herausgenommen.“
„Rudolf Steiner wies 1920 in seinen medizinischer Vorträgen auf die Mistel hin und erwähnte diese als wichtiges Heilmittel zur Krebstherapie. Die Mistel ist ein Gewächs, das sich am Baume wie ein Schmarotzer bewegt. Sie unterliegt geradewegs jenen Gesetzen einer Umkehrung zu den natürlichen Lebensvorgängen der Pflanzenwelt. Sie blüht im Winter unter Abschirmung des Lichtes. Weiterhin äußert die Mistel eine ganz bemerkenswerte Tatsache gegenüber dem Erdboden. Sie meidet die Berührung mit dem Boden und bewegt sich deshalb auf Baumeshöhe oberhalb der Erde. Die Mistel stirbt ab jenem Punkt, ab dem sie mit der Erde eine Berührung einnimmt. Sie ist die Pflanze, die ein außerirdisches Leben in ihrem Ausdruck äußert, und sie möchte dem Menschen wohl durch ihre ganz eigenartigen Wachstumsprozesse ihr Anderssein demonstrieren. Die Mistel möchte nicht ein irdischer Bürger werden, sondern ein außerirdisches und somit weltenfernes Bewusstsein behalten. Die Mistel ist ein Ausdruck, ja, sogar eine Offenbarung eines Lebens, das einstmals in einer urfernen Vergangenheit existent war und jetzt in unserer Erdenkultur nicht mehr angebracht erscheint. Je besser die Augen und Sinne diese Pflanze studieren, um so deutlicher wird auch das Bild der Krebskrankheit. Die Mistel und die Krebskrankheit gehören tatsächlich wie zwei durch Evolutionsstufen etwas unterschiedlich geprägte Geschwister mit einer inneren Verwandtschaft zusammen. Die Betrachtung der Bilder zeigt wohl für das empfindsame Gemüt das Wirken eines außerirdischen, seelischen Lebens oder eines Lebens, das in einer weltenkosmischen Ferne und weltenhistorischen Vergangenheit einmal gewesen ist und nun nicht mehr sein wird. Die Bilder von der Mistel sollen mehr auf meditative Weise das Gemüt anregen und vor allem eine innere Stimmung fördern, die tatsächlich mit dem Wesen der Krebskrankheit einhergeht. Je mehr die Bilder der Mistel auf die Seele und auf das Gemüt wirken, um so mehr wird der Betrachter wohl feststellen, dass hier ein außerirdisches, seelisches Geheimnis existent wird. Die Mistel verkündet das Kommen einer Seele, die nicht in die Erde gehört. […]
Diese Pflanze am Baume erscheint, als ob sie in sich selbst keine fließende und bewegte Struktur hätte, sondern als ob sie in sich und aus sich selbst heraus in direkter Weise ihr Wachstum entfalten kann. Das Leben aber im natürlichen Verlauf bewirkt ein unendliches, fortwährendes Fließen von Substantialitäten, die sich in beständigem Auf- und Abbau bewegen und somit den Ausdruck des einzigartigen Bewegtseins und der einzigartigen ätherischen Bildeform und somit den Ausdruck des Lebens erzeugen.“[27]

Siehe auch

Zwergmistel (Viscum minimum)
  • Verwandte Arten:
    • Rotbeerige Mistel (Viscum cruciatum), eine ebenfalls zweihäusige Verwandte der Weißbeerigen Mistel, mit disjunkten Vorkommen im südlichen Spanien (Andalusien), nordwestlichen Afrika und in Palästina, die vorwiegend auf Ölbaumgewächsen wie dem Ölbaum und dem Flieder parasitiert. Auch deren Früchte weisen meist mehrembryonige Samenkerne auf.
    • Eichenmistel, Riemenblume (Loranthus europaeus)
    • Zwergmistel (Viscum minimum), ein Vollparasit/Endophyt im Inneren einiger kakteenähnlichen Wolfsmilch-Arten in Südafrika, mit roten Beeren.
    • Zwergmisteln im eigentlichen Sinne (Arceuthobium) sind die blattlosen, unscheinbaren, aber forstlich teilweise sehr schädlichen Arten der zu den Viscaceae gehörenden Gattung. Diese parasitieren nur an Nadelgehölzen. Sie sind über die ganze Nordhemisphäre verbreitet. Sie schleudern ihre Samen mit extremem Wasserdruck bis zu zwanzig Meter weit, ein im Pflanzenreich äußerst seltener Ausbreitungsmechanismus (Canadian Journal of Botany. Band 82, S. 1566). Besonders artenreich treten sie in Nordamerika auf. In Europa kommt aus dieser etwas über 40 Arten umfassenden Gattung nur die sehr unauffällige Wacholdermistel (Arceuthobium oxycedri) vor, zum Beispiel in Südfrankreich.

Literatur

  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7.
  • Thomas Schauer: Der BLV Pflanzenführer für unterwegs. blv, München 2005, ISBN 3-405-16908-9.
  • Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-10529-X.
  • Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das neue Buch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-12932-6.
  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  • Karl Freiherr von Tubeuf, Gustav Neckel, Heinrich Marzell: Monographie der Mistel. R. Oldenbourg, München/Berlin 1923.
  • Calder & Bernhardt, The Biology of Mistletoes, Sydney, New York, London: Academic Press, 1983.
  • Pollhill & Wiens, Mistletoes of Africa, 1998.

Weblinks

Commons: Weißbeerige Mistel (Viscum album) – Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-10529-X.
  2. Hochspringen nach: 2,0 2,1 2,2 Mistel. In: Natur-Lexikon.com.Archivlink, abgerufen am 4. Juni 2025.
  3. Armin Jagel, Annette Höggemeier: Viscum album subsp. album – Laubholz-Mistel (Santalaceae), Zauber- und Weihnachtspflanze. Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 5: 280–286. 2014. (Online PDF)
  4. Britt Grundmann, Ulrich Pietzarka, Andreas Roloff (2010): Viscum album. In: Enzyklopädie der Holzgewächse: Handbuch und Atlas der Dendrologie.
  5. Karl Freiherr von Karl Tubeuf, Gustav Neckel, Heinrich Marzell: Monographie der Mistel. R. Oldenbourg, München/Berlin 1923, S. 1.
  6. Unter dem Mistelzweig. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im Botanischen Garten Erlangen, Dezember 2011. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  7. Karl Freiherr von Karl Tubeuf, Gustav Neckel, Heinrich Marzell: Monographie der Mistel. R. Oldenbourg, München/Berlin 1923, S. 108.
  8. Hochspringen nach: 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 Viscum album L. – Mistel. In: forst.tu-muenchen.de. Archivlink, abgerufen am 4. Juni 2025.
  9. Hochspringen nach: 9,0 9,1 Georg Schramayr: Die Laubholzmistel (Viscum album ssp. album L.). Eine Monografie des Vereines Naturbegleiter. BAmt der NÖ Landesregierung NÖ Landschaftsfonds Abteilung Landentwicklung (LF6), St. Pölten 2012, ISBN 3-901542-39-6. (Online PDF)
  10. Heiko Bellmann: Der neue Kosmos-Schmetterlingsführer. Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2003, ISBN 3-440-09330-1, S. 62.
  11. The Euro+Med PlantBase – the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. In: The Euro+Med Plantbase. Abgerufen 4. Juni 2025.
  12. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 1023.
  13. Hochspringen nach: 13,0 13,1 C. W. Barney, F. G. Hawksworth, B. W. Geils. 1998. Hosts of Viscum album. For. Pathol. 28:187-208. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  14. Sebald, O., Seybold, S., Philippi, G.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Band 4. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1992, ISBN 3-8001-3315-6, S. 77.
  15. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 436.
  16. Hochspringen nach: 16,0 16,1 Viscum album L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  17. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5, Seite 324–325.
  18. Niels Böhling, Werner Greuter, Thomas Raus, Britt Snogerup, Sven Snogerup, Doris Zuber: Notes on the Cretan mistletoe, Viscum album subsp. creticum subsp. nova (Loranthaceae/Viscaceae). In: Israel Journal of Plant Sciences. Band 50, Supplement, 2002, S. 77–84.
  19. Hochspringen nach: 19,0 19,1 Huaxing Qiu, Michael G. Gilbert: Viscum. In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 5: Ulmaceae through Basellaceae. Science Press / Missouri Botanical Garden Press, Beijing / St. Louis 2003, ISBN 1-930723-27-X, S. 242–245.
  20. Mistel (Viscum album). In: Zentrum für Kinderheilkunde. Informationszentrale gegen Vergiftung. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  21. Matthias Rostock: Die Misteltherapie in der Behandlung von Patienten mit einer Krebserkrankung. In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. Band 63, Nr. 5, 1. Mai 2020, S. 535–540. (Online PDF)
  22. Sabine Glöser: Ausstellung: Auf den Spuren der Mistel. In: Deutsches Ärzteblatt. Artikel vom 6. Januar 1997, abgerufen am 4. Juni 2025.
  23. Avoxa-Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH: Mistel. Vom Druidenkraut zum Zytostatikum. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  24. Gustav Ehrhart / Heinrich Ruschig (Hrsg.): Arzneimittel. Entwicklung, Wirkung, Darstellung. 2 Bände. Verlag Chemie, Weinheim 1968, S. 581.
  25. Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum: Misteltherapie gegen Krebs. Abgerufen am 4. Juni 2025.
  26. Bernhard Maier: Mistelzweig und Menschenopfer. In: Der Spiegel (online). Artikel vom 28. November 2010, abgerufen am 4. Juni 2025.
  27. Heinz Grill: Erklärung, Prophylaxe, Therapie der Krebskrankheit aus ganzheitlicher medizinischer und spiritueller Sicht. Lammers-Koll Verlag, 2001, ISBN 3-935925-67-0, S. 106–109.
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