Anandoham

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Der Kristall ist ein Symbol für den Gedanken
      ~ ~ ~
Der Gedanke ist Glückseligkeit
Ich bin der Gedanke
Ich bin Glückseligkeit
(Heinz Grill)

Anandoham ist Beginn und Titel eines Mantra in der Sprache Sanskrit und setzt sich zusammen aus ānanda „Glückseligkeit“ und aham „Ich“. In der Literatur wird ānanda auch mit „höchste Wonne“, „Wonne“, „Freude“ oder einfach mit „Seligkeit“ übersetzt.

Interpretationen des Mantra weisen darauf hin, dass Glückseligkeit im eigentlichen Sinn nicht vergleichbar ist mit schönen Emotionen, die der Mensch erfährt. Glück­seligkeit hat vielmehr etwas mit der ewigen Wesensnatur des Menschen zu tun und diese geht über die Gefühle des Körpers und der Psyche hinaus.

Aus geistiger Forschung ist ānanda mit dem reinen Gedanken verknüpft. Erlebt der Mensch den Gedanken auf bewusste Weise als eigenständige Seinsexistenz, kann er zu dem Erleben kommen, dass er selbst der Gedanke ist. Er erfährt real die glückselige Identität des Gedankens und weiß dann: ānandoham – „Ich bin Glückseligkeit“, weil Glückseligkeit die Wesensnatur des Gedankens ist.

Textlaut und Übersetzung

Die Sprache des Mantra ist Sanskrit und der Text lautet in der Transliteration (IAST):

ānandoham, ānandoham, ānandambrahm, ānandam

Das Mantra setzt sich aus den Einzelwörtern ānanda, aham und brahman zusammen. Diese bedeuten wörtlich:

Sanskrit IAST Übersetzung
आनन्द ānanda „Glückseligkeit“[1]
अहम् aham „Ich“[2]
ब्रह्मन् brahman „das Absolute“, „der universale Schöpfergeist“[3]

Nach den Lautgesetzen des Sanskrit werden die Worte ānanda und aham zu ānandoham zusammengezogen. Ebenso wird die Verbindung von ānanda und brahman verschmolzen zu ānandambrahm. Als wörtliche Übersetzung des Mantra ergibt sich daher:

„Ich bin Glückseligkeit, Glückseligkeit bin Ich, Brahman ist Glückseligkeit, Glückseligkeit.“

Eine Melodie zum Mantra

Die folgende Melodie ist aus dem Sat-Chit-Ananda Ashram – auch bekannt als Shantivanam Ashram – überliefert. Bede Griffiths (1906–1993), englischer Benediktinermönch und bedeutender Versöhner zwischen den Weltreligionen,[4] übernahm im Jahr 1968 die Leitung dieses Ashrams und führte ihn bis zu seinem Tod.


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 A -- nan -- do -- ham, A -- nan -- do -- ham, \break
 A -- nan -- dam -- brahm, A -- nan -- dam, \break
 A -- nan -- do -- ham, A -- nan -- do -- ham, \break
 A -- nan -- dam -- brahm, A -- nan -- dam.
}

Interpretation

Sukadev Bretz, der Gründer von Yoga Vidya, zielt in seiner Interpretation des Mantra ānandoham „Ich bin Glückseligkeit“ darauf ab, dass der Mensch Wonne und Freude erlebt, wenn er sich nicht mit dem Körper oder der Psyche identifiziert. Die wahre Identität des Menschen ist ewig, die „Freude an sich“:

„Und der dritte Teil dieser Überlegungen ist Ananda: Ich bin Wonne. Darüber war ja eine ganze Lektion: Das Selbst als Ananda, als Freude. Auch die Unterscheidung zwischen Ananda und Sukha Dukkha. Ich bin Freude, Ananda. Ich bin nicht Vergnügen, ich bin nicht der vergnügte Gemütszustand, ich bin die Freude an sich. Woher weiß ich das, dass ich Freude bin? Wenn ich mich nicht identifiziere mit dem Körper. Wenn ich mich nicht identifiziere mit der Psyche. Wenn ich ganz bei mir bin. Wenn ich mich erkenne als ohne Grenze. Als ewig. Und wenn ich dann voll bewusst bin, dann ist dort reine Freude. Und deshalb weiß ich: Anandoham, ich bin Freude.“[5]

„Durch seine Gedanken erlebt der Mensch eine Welt, die ihn über diese Erde hinaus­führt. In der Form, in welcher sich im Menschen die Gedanken entzünden, erlebt kein anderes irdisches Wesen die Gedanken.“

Heinz Grill stellt in seiner Interpretation den Bezug zum Gedanken her. Der Gedanke ist nach seinen geistigen Forschungen die Grundlage des Ich-Selbst des Menschen:

„Wer ist der Gedanke? Der Gedanke ist in der Regel ein Fremder. Gedanken sind zunächst nicht diese Dinge, die wir hier auf der Erde sehen. Wer sieht den Gedanken? Wer kann den Gedanken greifen? Wir können nur all diese Sachen, all diese Gegenstände greifen, die tatsächlich dieser sinnesgefälligen Welt angehören, aber den Gedanken können wir nicht ergreifen. Den Gedanken können wir eigentlich gar nicht sehen und wir können ihn auch noch nicht richtig als eine wahre Existenz definieren, da er sich nicht leicht in eine Definition zwängen lässt.
Dennoch ist der Gedanke die Grundlage des Ich-Selbstes. Das Ich-Selbst wäre nicht existent, wenn es keinen Gedanken geben würde. Das Ich-Selbst könnte gar nicht als ein Selbstwertgefühl auftreten, wenn es nicht Gedanken geben würde. Diese feinen Lichtwesenheiten, diese feinen Existenzwesenheiten, diese Seinsexistenzen sind göttlicher Art.“[7]

Es ist nun ein Unterschied, ob der Mensch einen Gedanken reflektiert oder ob er ihn bewusst als eigenständige Seinsexistenz erlebt, ihn beobachtet und ihn konzentriert. Durch einen bewussten Umgang mit dem Gedanken, beispielsweise in der Meditation, kann der Mensch zu dem Erleben kommen, dass er selbst der Gedanke ist:

„Woher kommen sie? Sie kommen aus einer geistigen Welt und sie zeigen an, dass wir selbst geistig sind. Indem wir Gedanken automatisch reflektieren, sind wir noch nicht geistig tätig.
Indem wir aber Gedanken bewusst erleben, indem wir langsam nicht nur die Reflektion erleben, sondern in den Prozessen des Gehirns ein Erlebnis finden, dass der Gedanke für sich eine eigene Existenzeinheit darstellt, den Gedanken nun zu führen, zu beobachten und zu konzentrieren beginnen, bemerken wir, dass es ein inneres Licht gibt, dass das Licht selbst tätig ist und wir werden bald, wenn der Prozess in der Meditation fortschreitet, feststellen, dass wir selbst dieser Gedanke sind.“[7]

Das Mantra Anandoham kann nach Heinz Grill in die Erkenntnis gelangen, wenn der Gedanke als „tiefe, geistige Seinsexistenz erfahren wird“. Er formuliert, dieser Logik folgend, eine übertragene Übersetzung:

„Ich lebe im Gedanken, der Gedanke bin ich, ich bin wirkend im Gedanken, der Gedanke ist Glückseligkeit.“[7]

Diese erweiterte Übersetzung lässt sich der obigen Melodie aus Shantivanam unterlegen:


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 der Ge -- dan -- ke, der bin ich, \break
 ich bin wir -- kend im Ge -- dan -- ken, \break
 der Ge -- dan -- ke ist Glück -- se -- lig -- keit.
}

Ananda – Glückseligkeit in der Literatur

In der Literatur wird ānanda nicht immer mit Glückseligkeit übersetzt. Es werden in Übersetzungen auch die Begriffe „höchste Wonne“, „Wonne“, „Freude“ oder einfach „Seligkeit“ verwendet.

Spirituelle Literatur

Neues Testament
Jan Brueghel der Ältere: Die Bergpredigt (1598)

Ein bekanntes Beispiel für Verwendung des Begriffs Seligkeit bzw. Glückseligkeit (je nach Übersetzung) ist die Bergpredigt im Matthäus-Evangelium. In der Elberfelder Übersetzung lauten die Verse 3–12 im 5. Kapitel:

„Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden. Glückselig die Barmherzigen, denn ihnen wird Barmherzigkeit widerfahren. Glückselig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen. Glückselig die um Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren.“[8]
Patanjali

Im Yogasutra erwähnt Patanjali ānanda im 17. Vers des 1. Kapitels:

वितर्कविचारानन्दास्मितारूपानुगमात्सम्प्रज्ञातः || 1.17 ||
vitarka-vicārānandāsmitā-rūpānugamāt samprajñātaḥ || 1.17 ||

Nach vitarka (Nachdenken) und vicāra (prüfende Überlegung) folgt das Wort ānanda vor asmitā (Einheitswahrnehmung). Das letzte Wort ist saṁprajñāta (vollkommenes Wissen).[9] Am Anfang der Glückseligkeit steht nach Patanjali das Denken des Menschen.

Shankara

Shankara (ca. 788–820) war der bekannteste Gelehrte des Advaita-Vedanta (von advaita „Nicht-Dualität“), eines Systems, das die Welt auf ein einziges Prinzip zurückführt: Brahman. Shankara entwickelte einen Begriff von Brahman, der ohne Form und Attribute auskommt (nirguna). Er prägt die Sanskritbegriffe sat (reines „Sein“), cit (reines „Bewusstsein“) und ānanda (reine „Glückseligkeit“) nicht als beschreibende oder qualifizierende Attribute von Brahman, sondern als das Wesen oder die Urnatur selbst von Brahman.[10]

Swami Sivananda

Der indische Arzt, Yogin und spirituelle Meister, Swami Sivananda (1887–1963), gebraucht im folgenden Zitat ānanda im Sinne von „höchster Wonne“. In seinen Worten drückt sich eine Unterscheidung von vergänglicher und unvergänglicher Freude bzw. Wonne aus:

Swami Sivananda
„Spirituelle Wonne ist höchste Wonne. Spirituelle Wonne ist die Wonne der Seele. Sie ist transzendente Wonne. Sie ist von den Objekten unabhängig. Sie ist dauerhaft, einförmig und ewig. Nur der Weise erlebt sie.
Sinnesvergnügen kommt aus Emotionen. Aber die Wonne der Seele ist Freude an sich. Sie ist die Natur des Atman. Vergnügen ist zeitlich begrenzt und flüchtig, Wonne ist ewig und immerwährend. Freude ist vermengt mit Schmerz. Wonne ist ungetrübtes Glück. Vergnügen ist abhängig von Nerven, Geist und Objekten. Wonne ist unabhängig und existierend aus sich selbst.“[11]

Sivananda gibt eine Aufzählung von Verrichtungen, die der Mensch tätigen kann, um die Erfahrung von Ananda zu machen:

„Reinige den Geist durch Japa, Satsang, Nächstenliebe, Geisteskontrolle, Selbstbeherrschung, selbstloses Dienen, Studium der Gita, der Upanishaden, der Yoga-Vasishta, der Praxis von Yama und Niyama, Vairagya und Tyaga. Dann wirst du ein für die Meditation geeignetes Instrument erhalten, einen ruhigen, feinen und einpünktigen Geist. Beginne die Meditation mit Hilfe deines Instruments am Morgen und drei Stunden am Abend. Dann wird eine neue Art unbeschreiblichen Anandas in dir aufdämmern. Du wirst von übersinnlicher spiritueller Wonne überzeugt sein. Du musst dieses spirituelle Ananda selbst spüren.“[11]
Rudolf Steiner

Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner (1861–1925), bezieht sich auf Johann Wolfgang von Goethe und drückt aus, dass eine reinste Kultur der Bildung zur Glückseligkeit führen müsse. Er bezeichnet die Glückseligkeit als „intimstes Bedürfnis“ des menschlichen Gemüts:

„Welche Einblicke über die Natur gewähren die Spektralanalyse, die Entdeckung Röntgens, die Studien über das Alter des Menschengeschlechtes, die organische Entwickelungstheorie und anderes, auf dessen Anführung ich hier naturgemäß verzichte, da es mir nur darauf ankommt, auf diese Dinge hinzudeuten.
Trotz aller dieser und manch anderer Errungenschaften, zum Beispiel auf dem Gebiete der Kunst, kann aber der tiefer blickende Mensch gegenwärtig doch nicht recht froh über den Bildungsinhalt der Zeit werden. Unsere höchsten geistigen Bedürfnisse verlangen nach etwas, was die Zeit nur in spärlichem Maße gibt.
Im Sinne Goethes kann man von der Bildung sagen, daß sie durch die reinste Kultur zur höchsten Glückseligkeit führen müsse. Unsere Bildung führt zu dieser Glückseligkeit nicht. – Sie läßt die feinsten Geister im Stich, wenn diese die Befriedigung der intimsten Bedürfnisse ihres Gemütes suchen.“[12]

Philosophie

Es gibt eine Richtung in der Philosophie, die sich mit der Natur des Glücks und den Wegen zum Erlangen des Glücks bzw. der Glückseligkeit (altgriechisch ευδαιμονία eudaimonia) auseinandersetzt. Sie wird „Philosophie des Glücks“ genannt. Sowohl die Philosophie der Antike, des Mittelalters und der Moderne als auch die östliche Philosophie setzen sich mit dem Thema Glück auseinander, da das Glücksstreben eine uralte Sehnsucht des Menschen ist.

→ Siehe eine detaillierte Ausarbeitung dieses Themas im Artikel Philosophie des Glücks in Wikipedia

Einzelnachweise

  1. Suchergebnisse für „Ananda“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 12. Juli 2025 (englisch).
  2. Suchergebnisse für „aham“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 12. Juli 2025 (englisch).
  3. Suchergebnisse für „braman“. In: learnsanskrit.cc. Abgerufen am 12. Juli 2025 (englisch).
  4. Bede Griffiths.Vita. In: Sheema Verlagshaus. Abgerufen am 12. Juli 2025.
  5. Sukadev Bretz: Ich bin Ananda – Wonne. Vortrag aus dem Jahr 2019. In: wiki.yoga-vidya.de. Abgerufen am 12. Juli 2025.
  6. Rudolf Steiner: Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. GA 109. 3., neu durchgesehene Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2000, ISBN 3-7274-1090-6, S. 99. (Online)
  7. 7,0 7,1 7,2 Heinz Grill: Die Bedeutung von ānanda. Lammers-Koll-Verlag, 2006, ISBN 978-3-941995-51-2, S. 30–32.
  8. Matthäus 5,3-12. Elberfelder Übersetzung. In: bibleserver.com. Abgerufen am 16. August 2025.
  9. Raja Yoga Sutra von Patanjali. Kapitel 1, Vers 17. Deutsche Übersetzung. In: yoga-vidya.de. Abgerufen am 16. August 2025.
  10. Gavin Flood: An introdiction to Hinduism. Cambridge University Press, Cambridge 1996, S. 239–242.
  11. 11,0 11,1 Swami Sivananda: Bliss Divine. Die göttliche Wonne. Einfach gebundene Ausgabe. Sivananda Yoga Vedanta Zentren, S. 87.
  12. Rudolf Steiner: Methodische Grundlagen der Anthroposophie. GA 30. 3. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989, ISBN 3-7274-0300-4, S. 380. (Online)


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