Brennnesseln

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Blätter und Blüten der Großen Brennnessel (Urtica dioica)
Illustration der Großen Brennnessel (1885)

Die Brennnesseln (Urtica) bilden eine Pflanzengattung in der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae). Sie kommen fast weltweit vor. In Deutschland nahezu überall anzutreffen sind die Große Brennnessel und die Kleine Brennnessel, nur selten auch die Röhricht-Brennnessel sowie die Pillen-Brennnessel.

Aus geistiger Forschung kann sie größte Wohltäterin des Wachstums für andere Pflanzen. Beim Menschen greift sie günstig in den Eiweißstoffwechsel ein.

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Brennnessel-Arten wachsen als einjährige oder ausdauernde krautige Pflanzen, selten als Halbsträucher. Sie erreichen je nach Art, Standort und Nährstoffsituation Wuchshöhen von 10 bis 300 Zentimetern bei den in Mitteleuropa vertretenen Arten. Die ausdauernden Arten bilden Rhizome als Ausbreitungs- und Überdauerungsorgane. Die grünen Pflanzenteile sind mit Brenn- sowie w:Borstenhaar:Borstenhaaren besetzt. Ihre oft vierkantigen Stängel sind verzweigt oder unverzweigt, aufrecht, aufsteigend oder ausgebreitet.

Die meist kreuz-gegenständig am Stängel angeordneten Laubblätter sind gestielt. Die Blattspreiten sind elliptisch, lanzettlich, eiförmig oder kreisförmig. Die Blattspreiten besitzen meist drei bis fünf, (bis sieben) Blattadern. Der Blattrand ist meist gezähnt bis mehr oder weniger grob gezähnt. Die oft haltbaren Nebenblätter sind frei oder untereinander verwachsen. Die Zystolithen sind gerundet bis mehr oder weniger verlängert.

Brennhaare

Quaddeln nach Hautkontakt mit Brennnesseln
Brennhaare am Blattstiel einer Brennnessel, die Köpfchen sind erahnbar
Brennhaare (groß) und normale Haare (klein) auf einem Blatt

Bekannt und unbeliebt sind die Brennnesseln wegen der schmerzhaften Quaddeln (Schwellungen), die auf der Haut nach Berührung der Brennhaare entstehen. Je nach Brennnesselart unterscheiden sich die Folgen, so ist beispielsweise die Brennflüssigkeit der Kleinen Brennnessel (Urtica urens) wesentlich schmerzhafter als die der Großen Brennnessel (Urtica dioica).

Diese Brennhaare wirken als Schutzmechanismus gegen Fraßfeinde und sind überwiegend auf der Blattoberseite vorhanden. Es sind lange, einzellige Röhren, deren Wände im oberen Teil durch eingelagerte Kieselsäure hart und spröde wie Glas sind. Das untere, flexiblere Ende ist stark angeschwollen, mit Brennflüssigkeit gefüllt und in einen Zellbecher eingesenkt, die Spitze besteht aus einem seitwärts gerichteten Köpfchen, unter dem durch die hier sehr dünne Wand eine Art Sollbruchstelle vorhanden ist.

Das Köpfchen kann schon bei einer leichten Berührung abbrechen und hinterlässt eine schräge, scharfe Bruchstelle, ähnlich der einer medizinischen Spritzenkanüle. Bei Kontakt sticht das Härchen in die Haut des Opfers, sein ameisensäurehaltiger Inhalt spritzt mit Druck in die Wunde und verursacht sofort einen kurzen, brennenden Schmerz und dann die erwähnten Quaddeln mit Brennen oder Juckreiz.

Weitere Wirkstoffe der Brennflüssigkeit sind Serotonin, Histamin, Acetylcholin und Natriumformiat. Bereits 100 Nanogramm dieser Brennflüssigkeit reichen aus, um die bekannte Wirkung zu erzielen. Histamin erweitert die Blutkapillaren und kann Reaktionen hervorrufen, die allergischen Reaktionen ähneln (diese werden unter anderem durch Freisetzung körpereigenen Histamins verursacht). Acetylcholin ist auch die Überträgersubstanz vieler Nervenendungen und für den brennenden Schmerz verantwortlich. Brennnesseln lassen sich relativ gefahrlos anfassen, wenn man sie von unten nach oben überstreicht, da fast alle Stacheln nach oben gerichtet sind.

Auch ohne Eindringen der Brennhaare kann allein Hautkontakt zur Brennflüssigkeit Folgen haben: Frischer Brennnessel-Schnitt verursacht bei Hautkontakt (z. B. beim Rasenmähen) zuerst keine Schmerzen, weil gebrochene Brennhaare nicht in die Haut stechen können und nur noch wenig Gift enthalten. Die spröden Brennhaare brechen bereits bei Mähmesser-Rotation, und die Brennflüssigkeit fließt frei aus. Bei Benetzung empfindlicher Hautschichten mit Brennflüssigkeit (Knöchel- und Spannbereich) erfolgt eine späte Schmerzreaktion, da die Brennflüssigkeit nach Kontakt auf nervenloser Oberhaut (Epidermis) durch Poren in die darunterliegende Lederhaut (Dermis) eindringt. Dort erreicht sie erst nach Stunden freie Nervenendigungen (Nozizeptoren). Dagegen schmerzen Hauteinstiche spröder, ungebrochener Brennhaare schon in Sekundenbruchteilen. Die relativ lange Gift-Kontaktzeit ist zur späteren Verätzungsintensität direkt proportional. Nur langsam unter stechenden Schmerzen mit Schwellungen wird das in die Lederhaut eingedrungene Gift abgebaut und die großflächig verätzte Oberhaut durch eine neue ersetzt.

Die Brennnessel hat damit einer Reaktion der Haut ihren Namen gegeben, der Nesselsucht oder Urtikaria. Genau wie bei einer Reizung durch Brennnesseln verursacht sie juckende Quaddeln und es wird Histamin aus Mastzellen der Haut freigesetzt. Die Ursachen können aber sehr unterschiedlich sein.

Generative Merkmale

Sämling der Großen Brennnessel

Sie sind je nach Art einhäusig (monözisch) oder zweihäusig (diözisch) getrenntgeschlechtig. In den Blattachseln stehen in verzweigten, rispigen, ährigen, traubigen oder kopfigen Gesamtblütenständen viele zymöse Teilblütenstände mit jeweils vielen Blüten zusammen. Die relativ kleinen, unauffälligen, immer eingeschlechtigen Blüten sind sind zwei- bis sechs-, meist jedoch vier- bis fünfzählig.

Die eingeschlechtigen Blüten sind etwas reduziert. Es sind (zwei bis) vier (bis fünf) Blütenhüllblätter vorhanden. Die männlichen Blüten enthalten meist (zwei bis) vier (bis fünf) Staubblätter. Die weiblichen Blüten enthalten einen Fruchtknoten, der zentral in der Blüte liegt und aus nur einem Fruchtblatt gebildet wird.

Brennnessel-Arten sind windbestäubt. Wenn sich bei den männlichen Blüten die Blütenhüllblätter öffnen, schnellen ihre Staubblätter hervor; dabei wird explosionsartig eine Wolke von Pollen in die Luft geschleudert. Der Wind überträgt anschließend den Pollen auf die weiblichen Blüten.

Die sitzenden, in den haltbaren inneren Blütenhüllblättern locker eingehüllten Nüsschen sind gerade, seitlich abgeflacht, eiförmig oder deltoid. Die aufrechten Samen enthalten wenig Endosperm und zwei fleischige, fast kreisförmige Keimblätter (Kotyledonen).

Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 12 oder 13.

Ähnliche Arten

Die Arten der – mit den Brennnesseln nicht verwandten – Gattung der Taubnesseln (Lamium), sehen den Brennnesseln in Wuchs und Blattform sehr ähnlich, besitzen aber keine Brennhaare und auch sehr viel größere und auffälligere Blüten. Die ebenfalls ähnlichen Blätter der Nesselblättrigen Glockenblume (Campanula trachelium) sind wechselständig.

Lebensraum für Schmetterlinge

Raupe des Kleinen Fuchses auf Brennnessel

Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten sind bestimmte Brennnessel-Arten eine Futterpflanze.

Die Schmetterlingsarten Admiral, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs (auch als Nesselfalter bekannt), Silbergraue Nessel-Höckereule, Dunkelgraue Nessel-Höckereule, Brennnessel-Zünslereule (Hypena obesalis) und das Landkärtchen sind dafür sogar auf die Brennnessel angewiesen, andere Pflanzenarten kommen für diese Arten nicht in Betracht (Monophagie). Trotzdem scheinen sich diese Schmetterlingsarten kaum gegenseitig Konkurrenz zu machen, da sie entweder jeweils eine andere Wuchssorte der Brennnesseln bevorzugen oder relativ selten sind:

  • Die Raupen des Kleinen Fuchses sind an trockenen und sonnigen Stellen zu finden
  • Das Tagpfauenauge mag es zwar gleichfalls sonnig, aber dennoch luftfeucht und bevorzugt daher Plätze an Gewässern.

Beide Arten benötigen überdies größere Brennnesselbestände.

  • Der Admiral dagegen gibt sich schon mit Ansammlungen einiger weniger Pflanzen zufrieden und bevorzugt eher kümmerliche Brennnesseln.
  • Das Landkärtchen sucht sich die schattigsten Wuchsorte der Brennnessel aus, die oft großen und dichten Bestände in den fluss- und bachbegleitenden Auwäldern.

Auf fast jeder Brennnessel sind Fraßspuren einzelner Insekten zu sehen. Dabei müssen diese eine Strategie entwickelt haben, mit der sie die Brennhaare umgehen. Sie fressen sich um die Haare herum und bevorzugen dabei die Wege entlang der Blattadern und der Blattränder, da sich dort keine Brennhaare befinden. Vorteilhaft für die Insekten: Das Gift dringt nicht aus der Spitze, wenn das Haar unten an der Wurzel angefressen wird.

Vorkommen und Zeigerfunktion

Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera)

Die Gattung Urtica ist fast weltweit verbreitet. Nur in der Antarktis kommt keine Art vor. Von den etwa 30 Urtica-Arten kommen 14 in China vor. Hauptsächlich gedeihen sie in den gemäßigten Gebieten, sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel. Es gibt aber auch Arten in den Gebirgen der Tropen.

Im deutschsprachigen Raum kommen vier Brennnessel-Arten vor: Die bekanntesten sind die zweihäusige Große Brennnessel (Urtica dioica) und die einhäusige Kleine Brennnessel (Urtica urens); außerdem existieren hier noch die Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis) und die aus dem Mittelmeerraum eingeschleppte Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera),[1][2][3][4] deren gelegentliche mitteleuropäische Vorkommen auf die Kulturflucht aus Kräutergärten zurückzuführen ist, in denen sie wegen ihrer schleimigen Samen kultiviert wurde.

Einige Arten sind sehr anspruchslos und besiedeln deshalb ein breites Spektrum an Habitaten.

Ein starker Brennnesselwuchs gilt allgemein als Zeiger für einen stickstoffreichen Boden und bildet sich oft als Ruderalpflanze auf früher besiedelten Stellen aus. Eine große Anzahl Brennnesseln in einem Gebiet erlaubt es somit, auch ohne chemische Untersuchungen Rückschlüsse auf die Bodenbeschaffenheit zu ziehen.

Systematik

Die Gattung Urtica wurde 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum aufgestellt.[5] Zum Protolog gehört auch die Diagnose in Genera Plantarum.[6] Der Gattungsname Urtica leitet sich vom lateinischen Wort urere für „brennen“ ab. Synonyme für Urtica L. sind: Selepsion Raf., Vrtica Noronha[7]

Die Gattung der Brennnesseln (Urtica) enthält je nach Autor 30 bis 70 Arten.[7] Zu den einzelnen Arten siehe das entsprechende Kapitel im Artikel Brennnesseln in Wikipedia.

Verwendung

Die meisten der folgenden Aspekte beziehen sich auf die Große Brennnessel, die unter anderem als Heil- und Nutzpflanze dient.[8]

Lebensmittel

Brennnesselspinat mit Salzkartoffeln und Ei

Von einigen Arten werden die grünen Pflanzenteile, die unterirdischen Pflanzenteile und die Samen verwendet. Als Frühjahrsgemüse werden die jungen Brennnesseltriebe wegen ihres hohen Gehalts an Flavonoiden, Mineralstoffen wie Magnesium, Kalzium und Silizium, Vitamin A und Vitamin C[9] (etwa doppelt so viel Vitamin C wie Orangen), Eisen, aber auch wegen ihres hohen Eiweißgehalts geschätzt. Die Brennnessel enthält in der Trockenmasse etwa 30 Prozent Eiweißanteil. Der Geschmack wird als „dem Spinat ähnlich, aber aromatischer“[10] und als feinsäuerlich beschrieben.

Die Nutzung von wild gesammelten Brennnesseln als Nahrungsmittel (Wildkraut), vor allem von frischen Trieben im Frühjahr, ist seit der Antike aus Nord- und Westeuropa sowie der indigenen Bevölkerung Kanadas bezeugt.[11] Die Nutzung erfolgte als Wildgemüse (in Schottland kail), Suppe oder Tee. Besondere Verwendungen waren etwa die Zugabe beim Kochen, um zartes Fleisch zu erhalten, oder als Ersatz für Lab zur Käsebereitung.[11]

Die Samen der Brennnessel eignen sich geröstet zum Verzehr oder lassen sich zu Brennnesselsamenöl weiterverarbeiten.[10]

Der unangenehmen Wirkung der Nesselhaare kann man bei der rohen Verwendung für beispielsweise Salate entgegenwirken, indem man die jungen oberirdischen Pflanzenteile in ein Tuch wickelt und stark wringt, sie beispielsweise mit einem Wiegemesser sehr fein schneidet, mit einem Nudelholz gut durchwalkt oder ihnen eine kräftige Dusche verabreicht.[10] Kochen sowie kurzes Blanchieren für Brennnesselspinat sowie -suppe macht die Nesselhaare ebenfalls unschädlich. Auch durch das Trocknen der oberirdischen Pflanzenteile für die Teezubereitung verlieren sie ihre reizende Wirkung.

Fasergewinnung

Hemd aus Brennnesselfasern

Textilien aus Brennnesseln wurden bereits im Altertum hergestellt. Dieser Art der Verwendung war nicht auf einzelne Regionen beschränkt.[12] Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lebte das Interesse an der heimischen Faserpflanze aufgrund einer Baumwollknappheit wieder auf. Um 1900 galt Nessel als das „Leinen der armen Leute“. Im Zweiten Weltkrieg wurde Nesseltuch verstärkt in Deutschland für Armee-Bekleidung verwendet.

Der Fasergehalt der Zellulosefasern in wilden Brennnesseln erreicht im Durchschnitt etwa fünf Prozent und konnte in zur Fasergewinnung optimierten Zuchtlinien bis auf 22 Prozent gesteigert werden. Der Rohfaserertrag lag bei Anbauversuchen um 2003 bei maximal etwa einer Tonne pro Hektar Anbaufläche.[13] Die Fasern können durch mikrobiologische Prozesse freigelegt werden.[14]

Färberpflanze

Lange Zeit gehörte die Brennnessel zu den Färberpflanzen. Wolle kann man mit ihrer Wurzel, nach Vorbeizen mit Alaun, wachsgelb färben. Mit einer Zinnvorbeize, Kupfernachbeize und einem Ammoniak-Entwicklungsbad erzielen die oberirdischen Teile ein kräftiges Graugrün. Man benötigt etwa 600 Gramm Brennnessel pro 100 Gramm Wolle; besonders bei der Brennnessel kann der Farbton vom Zeitpunkt des Pflückens und Färbens abhängen, deshalb ist die Technik bei Massenproduktion von Kollektionen in Vergessenheit geraten.

Gärtnerische Verwendung

Brennnesseljauche

Die Brennnesseln finden insbesondere im biologischen Gartenbau vielfältige Verwendung. Ein scharfer, nur 24 Stunden angesetzter Kaltwasserauszug („brennende Brennnesseljauche“) als Pflanzenstärkungsmittel soll sowohl die Widerstandskraft behandelter Pflanzen gegenüber Schädlingen erhöhen als auch düngend wirken.

Brennnesseljauche wird, im Verhältnis 1:10 bis 1:20, bei verschiedenen Gemüsepflanzen, insbesondere bei Gurken, Kohl, Porree, Tomaten und Zucchini, eingesetzt.[15] Im Garten angebaute oder wildwachsend gesammelte Brennnesseln können zudem als Tee oder Gemüse (Wildkraut) verwendet werden.

Anbau

Als Kulturpflanze angebaut wird ausschließlich die Große Brennnessel (Urtica dioica), meist als Faserpflanze. Es handelt sich um eine ausdauernde Pflanze, die mehrere Jahre hintereinander auf derselben Fläche geerntet wird, der Anbau gilt als vorteilhaft aufgrund des geringen Aufwands, die Pflanze benötigt aber nährstoffreiche Böden und hat einen hohen Wasserbedarf. Die Art kann aus Samen vermehrt werden, im großflächigen Anbau ist aber vegetative Vermehrung Standard, um einheitliche Erträge zu gewährleisten. Angebaut werden ausgewählte Kulturlinien (meist Klone), deren genaue botanische Zuordnung nicht immer eindeutig ist; diese erreichen Wuchshöhen bis über zwei Meter. Die erste Ernte erfolgt im zweiten Wuchsjahr. Es können Erträge von 3 bis 12 Tonnen pro Hektar Trockenmasse erzielt werden, höhere Erträge aber meist nur bei intensiver Stickstoff-Düngung. Während für Faserproduktion im Herbst geerntet wird, erfolgt die Ernte bereits im Frühjahr (April), wenn vorwiegend Blätter gewonnen werden sollen, etwa für pharmazeutische Produkte.[16] Angebaute Pflanzen können möglicherweise 10 bis 15 Jahre beerntet werden, gute Erträge werden aber, nach den alten Anbauversuchen von Bredemann (1959) vor allem bis zum vierten Jahr berichtet.[17] Für den Anbau zur Blättergewinnung wird auch die einjährige Kleine Brennnessel (Urtica urens) eingesetzt.

Der Anbau der Brennnessel wurde in Deutschland und Österreich vor allem in den Kriegsjahren, als Substitut für ausbleibende Baumwollimporte, betrieben. Damals wurden etwa 500 Hektar Nesseln angebaut.[13] Er geriet nachher bald in Vergessenheit. Klone aus den alten Anbauversuchen durch Gustav Bredemann sind aber in einigen Universitätssammlungen erhalten geblieben. Seit den 1990er Jahren gibt es neue Anbauversuche als nachwachsender Rohstoff, die aber derzeit noch überwiegend experimenteller Natur sind.

Nach der Ernte werden die Pflanzen eine Zeit lang auf dem Acker liegen gelassen, um durch mikrobiellen Abbau die Isolierung der Fasern zu erleichtern (analog dem Rösten beim Flachs). Die Fasern werden anschließend, entweder traditionell enzymatisch durch mikrobiellen Abbau oder alternativ durch chemische Verfahren, isoliert. Mechanische Isolierung ist ebenfalls möglich, liefert aber ein geringwertiges Produkt, das nicht für Textilien verwendbar ist.[13]

Wirkung der Brennnessel aus geistiger Sicht

Als Dünger auf das Pflanzenwachstum

Rudolf Steiner erwähnte die Brennnessel im «Landwirtschaftlichen Kurs» im Hinblick auf ihre, das Pflanzenwachstum fördernde Wirkung beim Düngen:

„... die Brennessel. Die ist tatsächlich die größte Wohltäterin des Pflanzenwachstums, und sie kann man kaum durch irgendeine andere Pflanze ersetzen.“
(Rudolf Steiner)
„Dagegen schwer zu ersetzen für eine gute Wirkung auf unsere Düngermasse ist eine Pflanze, die man oftmals nicht gern hat, in dem Sinne nicht gern hat, daß man manches, was man gern hat, gerne streichelt. Diese Pflanze streichelt man nicht gern: die Brennessel. Die ist tatsächlich die größte Wohltäterin des Pflanzenwachstums, und sie kann man kaum durch irgendeine andere Pflanze ersetzen. Man muß sie schon, wenn man sie irgendwo nicht sollte haben können, durch die Droge ersetzen. Aber die Brennessel ist wirklich ein Allerweltskerl, die kann ungeheuer viel. Auch die Brennessel trägt in sich dasjenige, was das Geistige überallhin einordnet und verarbeitet, den Schwefel, der ja die Bedeutung hat, die ich auseinandergesetzt habe. Aber außerdem, daß die Brennessel Kali und Kalzium in ihren Strahlungen und Strömungen fortführt, außerdem hat die Brennessel noch eine Art Eisenstrahlungen, die fast so günstig sind dem Laufe der Natur wie unsere eigenen Eisenstrahlungen im Blute. Die Brennessel verdient es eigentlich durch ihre Güte gar nicht, daß sie da draußen oftmals so verachtet in der Natur wächst. Sie müßte eigentlich den Menschen ums Herz herum wachsen, denn sie ist wirklich in der Natur draußen in ihrer großartigen Innenwirkung, ihrer inneren Organisation eigentlich ähnlich demjenigen, was das Herz im menschlichen Organismus ist. Nun handelt es sich darum, daß man erstens schon in der Brennessel eine große Wohltat hat, und da - verzeihen Sie, Herr Graf, wenn ich in diesem Augenblick zu lokalistisch werde -würde man schon sagen, daß zur Enteisenung eines Bodens, wenn es notwendig sein sollte, gerade beiträgt das Anpflanzen von Brennesseln an unschuldigen Orten, die in einer besonderen Art die oberste Schicht des Bodens wiederum von der Eisenwirkung befreien, weil sie sie so gern haben und sie an sich ziehen. Wenn auch nicht das Eisen als solches, aber doch die Wirkung des Eisens auf das Pflanzenwachstum wird untergraben. Die Anpflanzung von Brennesseln würde daher ganz besonders in diesen Gegenden von einer ganz besonderen Bedeutung sein. Doch das will ich nur nebenher erwähnen. Ich will darauf aufmerksam machen, daß das bloße Dasein der Brennessel schon von Bedeutung sein kann für die ganze Umgebung in bezug auf das Pflanzenwachstum.“[18]

Auf den Eiweißstoffwechsel des Menschen

„Die Brennessel greift in den Eiweißstoff­wechsel günstig ein.“ (Heinz Grill)

Heinz Grill stellt die einweißbildende Wirkung der Brennnessel heraus und sagt, dass sie günstig in den Eiweißstoffwechsel des Menschen eingreife:

„Bei Personen, die tendenziell hager sind, leicht zu Blässe neigen, im Bewegungsleben wenig flexibel sind, wenig in die Lebendigkeit finden, kann an das Heilmittel der Brennessel gedacht werden. Die Brennessel ist sowohl mit der Eisensubstanz ausgestattet als auch mit einer Besonderheit des Eiweißes selbst, denn sie greift in den Eiweißstoffwechsel günstig ein. Jene Personen, die hager sind, die schlecht inkarniert sind, können an die Brennessel denken, denn sie brauchen tatsächlich meist mehr Eiweiß wie die Pykniker oder wie die, die sehr stark im Bewegungsleben sind. Die Brennessel aber fördert sowohl die Eisendimension oder Eisenbildung im Blute als auch die gesunde Eiweißbildung. Wenn man die Brennessel konsumiert oder als entsprechendes Heilmittel zu sich nimmt, kann man durchaus daran denken, dass die Eiweißverhältnisse günstiger werden und der Einzelne nicht mehr gar so viel Eiweiß bei sich aufnehmen braucht. Das Medikament, das die Anthroposophen entwickelt haben, Urtica dioica ferro culta,[19] ist eines der wohl günstigsten Heilmittel, die wir sowohl zur Stabilisierung des Eiweißstoffwechsels als auch zur Blutbildung und zur Eisenanreicherung geben können. Die Brennessel wirkt auf diese Weise auch günstig auf das Nervensystem, da das Nervensystem so nahe verwandt ist mit den ganz intern und kompliziert ablaufenden Eiweißentwicklungsvorgängen. Wenn wir die Brennessel in diesem Sinne geben, ist damit ein Mittel gegeben, das ernährungsstabilisierend und sich somit auch tendenziell günstig auf das Lungensystem auswirkt.“[20]
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Siehe auch

Literatur

  • Chen Jiarui (陈家瑞), Ib Friis, C. Melanie Wilmot-Dear: Urtica.
  • David E. Boufford: Urtica.
  • P. W. Ball, D. V. Geltman: Urtica
  • Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
  • Eva Hanke, Ernst Wegner: Die Heilkraft der Brennessel. Droemer Knaur, München 2000, ISBN 3-426-87041-X.
  • Heidelore Kluge: Brennessel: Heilpflanze und mehr. Haug, Heidelberg 1999, ISBN 3-7760-1751-1.
  • Renate Spannagel: Heilkraut Brennnessel: Gesundheitspflege, Teezubereitung, kosmetische Anwendung. Weltbild, Augsburg 1998, ISBN 3-89604-731-0.
  • Wolf-Dieter Storl: Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor. AT Verlag, Aarau/Baden 2000, ISBN 3-85502-693-9.

Weblinks

Commons: Brennnesseln – Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
  2. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. Unter Mitarbeit von Theo Müller. 7., überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1994, ISBN 3-8252-1828-7.
  3. Rudolf Schubert, Klaus Werner, Hermann Meusel (Hrsg.): Exkursionsflora für die Gebiete der DDR und der BRD. Begründet von Werner Rothmaler. 13./14. Auflage. Band 2: Gefäßpflanzen. Volk und Wissen, Berlin (DDR) 1987, ISBN 3-06-012539-2.
  4. Hans Ernst Hess, Elias Landolt, Rosemarie Hirzel: Bestimmungsschlüssel zur Flora der Schweiz. 3. Auflage. Birkhäuser, Basel 1991, ISBN 3-7643-2606-9.
  5. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 983.
  6. Carl von Linné: Genera Plantarum. 5. Auflage. Lars Salvius, Stockholm 1754, S. 423.
  7. Hochspringen nach: 7,0 7,1 Urticaceae. Urtica L. In: Plants of the World Online (POWO). Abgerufen am 11. Juni 2025.
  8. Grosse Brennessel – Urtica dioica. In: Heilpflanzenlexikon awl.ch. Abgerufen am 11. Juni 2025.
  9. J. Wolska, M. Czop, K. Jakubczyk, K. Janda: Influence of temperature and brewing time of nettle (Urtica dioica L.) infusions on vitamin C content. In: Rocz Panstw Zakl Hig. Band 67, Nr. 4, 2016, S. 367–371.
  10. Hochspringen nach: 10,0 10,1 10,2 Meret Bissegger: Meine wilde Pflanzenküche. Bestimmen, Sammeln und Kochen von Wildpflanzen. AT Verlag, Aarau/München 2011, ISBN 978-3-03800-552-0, S. 47.
  11. Hochspringen nach: 11,0 11,1 Colin Randall: Historical and modern uses of Urtica. Chapter 2. In: Gulsel M. Kavalali (Hrsg.): Urtica. Therapeutic and nutritional aspects of stinging nettles. Taylor & Francis, London/New York 2003, ISBN 0-415-30833-X. (Reihe Medicinal and aromatic plants–industrial profiles Band 37).
  12. Carl David Bouché Bouché, Hermann Grothe: Geschichte der technischen Benutzung der Nesselfasern. Kapitel 7. In: Carl David Bouché, Hermann Grothe: Ramie, Rheea, Chinagras und Nesselfaser. Ihre Erzeugung und Bearbeitung als Material für die Textilindustrie. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 1884.
  13. Hochspringen nach: 13,0 13,1 13,2 C. R. Vogl, A. Hartl: Production and processing of organically grown fiber nettle (Urtica dioica L.) and its potential use in the natural textile industry: A review. In: American Journal of Alternative Agriculture. Volume 18, Nr. 3, 2003, S. 119–128.
  14. Fasern aus der Brennnessel. In: opus.bibliothek.uni-augsburg.de. Abgerufen am 11. Juni 2025.
  15. H. Drangmeister: Pflanzenschutz im Öko-Landbau – Grundlagen und Prinzipien. D1 Allgemeiner Pflanzenbau. Informationsmaterialien über den ökologischen Landbau (Landwirtschaft einschließlich Wein-, Obst- und Gemüsebau) für den Unterricht an landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen. Herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2011.
  16. Nicola Di Virgilio, Eleni Papazoglou, Zofija Jankauskiene, Sara Di Lonardo, Marcin Praczyk, Kataryna Wielgusz: The potential of stinging nettle (Urtica dioica L.) as a crop with multiple uses. In: Industrial Crops and Products. Volume 68, 2015, S. 42–49.
  17. Ilze Baltina, Lilita Lapsa, Elvyra Gruzdeviene: Nettle Fibers as a Potential Natural Raw Material for Textile in Latvia. In: Materials Science. Textile and Clothing Technology. Volume 7, Nr. 1, 2012, S. 23–27.
  18. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft. Landwirtschaftlicher Kurs. GA 327. 8. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1999, ISBN 3-7274-3270-5, S. 131–132. (Online)
  19. vgl. Vademecum Anthroposophische Heilmittel. Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland und Medizinische Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Dornach (Hrsg.). 3. Auflage 2013, S. 545–546.
  20. Heinz Grill: Das Wesen der Erschöpfung. Broschüre. Lammers-Koll-Verlag, 2012, ISBN 978-3-941995-96-3, S. 45.
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